Madrid, 8. Juni 2014: Nach einer weitgehend durchwachten
Nacht, in der die jungen Madrider unter unserem Hostel-Fenster bewiesen haben,
dass sie bis ins pfingstliche Morgengrauen zu feiern und auf Fässern zu
trommeln verstehen, stand heute der Prado auf der Abhak-Liste. Jedenfalls für
mich: Herr Ronny lehnte es rigoros ab, sich „alte Bilder“ anzusehen, und
stolperte lieber fotografierend durch einen der vielen Parks von Madrid.
Verpasst hat er dadurch den Genuss, eine weltweit
einzigartige Kollektion alter Meister von Tizian bis Goya anzusehen. Auch ich habe mich nur auf eine
Best-Of-Auswahl beschränkt, denn in seinen Ausmaßen erinnerte das Prado-Museum
schon fast an den Louvre in Paris.
Rubens-Version von Tizians Versuchung: Mehr Speck für Eva – und eine tolle Lichtkomposition
Neben der Erkenntnis, dass es selbstverliebte Monarchen zu
allen Zeiten gaben (Dutzende Bilder im ersten Stock waren Auftrags-Porträts des
leicht deformierten Königs Philipp IV.) fand ich besonders faszinierend die
vergleichenden Hängungen. Zum Beispiel die Versuchung von Adam und Eva im
Paradies aus Tizian und daneben die Cover-Version vom Rubens, der nicht nur Eva
– erwartungsgemäß –mehr auf die Hüften packte, sondern Adam auch ein paar
ordentliche König-Leonidas-Bauchmuskeln verpasst hat, vor allem aber – und das
muss man dem ollen Rubens einfach lassen – die Szenerie in ein ungemein
plastische Licht zu tauchen verstand.
Ist der Schöpfer heute Fotograf?
Interessant aber auch ein religiös-demiurgisches Konzept,
das sich unter anderem in einem Gemälde von José Garcia Hidalgo (1645-1717)
spiegelte: Gottvater, der seine Weltentwürfe als malender Schöpfer ins Leben
ruft. Kam mir angesichts der ganzen Smartphone-Zombies ringsum die Frage, ob
Gott heute iPhone-Fotograf statt Maler wäre...
Besonders zu empfehlen, da sehr bewegend und düster, ist die
schwarze Abteilung mit Goya-Bildern. So düster hatte ich Goya gar nicht in
Erinnerung: grimassenhaft verzerrte Gesichter, Schmerz und Tod... Ob Munch wohl
bei seinem “Schrei“ an Goya gedacht hat? Autor: Heiko Weckbrodt