Ab 22 Uhr brennt die Luft
Madrid, 9. Juni 2014: Madrid entfaltet seinen vollen Charme
erst am späten Abend, das haben wir gestern erst so richtig gemerkt, als wir
noch mal ab 22 Uhr durch die Innenstadt geschlichen sind: Dann erst haben alle
Straßencafés geöffnet, die Kellner locken offensiv die Gäste mit Tapas &
Paellas und die großen Ausfallstraßen machen mit ihrer großformatigen
Leuchtreklame einen auf New York.
Auch Live-Acts, gegen die in Deutschland sofort Polizei,
TÜV, Gesundheitsamt und sonst wer Sturm laufen würden, sind dann zu sehen. Zum
Beispiel an der nächtlichen Puerto del Sol einen Skateboard-Kontest: Die Skater
nehmen Anlauf uns springen über immer mehr Passanten, die sich als Freiwillige
auf den Platz legen. Kam zu keinen Verstümmelungen und eine deutsche
Blondinen-Gang fühlte sich sofort zu einem Gruppentanz animiert.
Gepallte Expressionisten-Dosis
Tags sind wir wieder getrennte Wege gegangen: Herr Ronny hat
wie ein Wilder im Botanischen garten Bonsai-Bäume fotografiert, während ich mir
im Königin-Sofia-Museum die volle Surrealisten- und Kubisten-Dröhnung
reingezogen habe. In dem für moderne Künstler reservierten Gegenstück zum Prado
findet man zum Beispiel Picassos Großgemälde „Guernica“, in dem der
expressionistische Glatzkopf die Zerstörung der gleichnamigen Basken-Gemeinde
im Spanienkrieg durch die deutsche Legion Condor zu einem künstlerischen
Aufschrei an die Weltöffentlichkeit verarbeitet hatte. Daneben hängen dort
zahlreiche Werke von Miro und anderen „modernen Klassikern“, aber auch einige
interessante, aber wenig bekannte expressionistische deutsche Arbeiten.
Knüppel-Büttel und Kameras allerorten
Beim Besuch der Almudena-Kathedrale neben dem Königsschloss,
aber auch sonst fast überall im Stadtbild fällt aber auch auf, wie sehr die
Terroranschläge der vergangenen Jahre (darunter die Zuganschläge von 2004) ganz
die Sicherheitsvorkehrungen im Alltag drastisch verschärft haben: Selbst in der
Kathedrale (dort aber eher lax) und auf den Bahnhöfen muss man
Sicherheitsschleusen passieren und fast allerorten sieht man Überwachungskameras
und Polizisten mit Knarre und Gummiknüppeln.
Tropenwald im Bahnhof
Apropos Bahnhof: Ein Erlebnis ganz besonderer Art ist der
Atocha-Bahnhof nahe dem Sofia-Museum: Was von außen wie eine große Gleishalle
aussieht, ist im Innern ein riesiges Gewächshaus mit einem Trödelmarkt im
tropischen Wald, einem Teich mit Hunderten Schildkröten und allerlei anderen
Tieren. Der Übergang zu den Hochgeschwindigkeitszügen beginnt erst dahinter und
ist abgesichert wie ein Flughafen.
Ansteckender spanischer Way of Life
Und noch ein Apropos zur Hitze: Eingedenk unserer
Hitzeschlag-Erfahrungen in Griechenland im vergangenen Jahr haben wir gleich
die gute alte südeuropäische Tradition der Siestas übernommen: Mittags ab 13
Uhr durch die Stadt zu laufen, ist eine Tortur, abgesehen habe ich eingedenk
der nächtlich-lautstarken Aktivitäten der jungen Madrilenen (danke, Herr Axel!)
deutliche Schlafdefizite aufgebaut. Die Hitze mag mir auch ein guter Vorwand
sein, kein Fußballstadion hier besichtigt zu haben (nein, Axel . nein!).
Okay: Das war erst mal unser letzter Tag in Madrid: Morgen
holen wir uns einen Mietwagen und ab geht’s gen Süden. Hola!
PS: Wer Rechtschreibfehler findet, kann sie behalten! Schreib hoier auf einer düsteren Terrasse...