Samstag, 21. Juni 2014

Granada: Auf dem Kafka-Weg in die Alhambra




Myrtenhof in den Nasridenppalästen der Alhambra

Glanzstück maurischer Baukunst lohnt die Mühen


Granada, 20. Juni 2014: Nach zwei Tagen Wartezeit und mehrfachem Schlangestehen wie zu Zonen-Zeiten (man fühlt sich an Kafkas „Schloss“ erinnert) ist uns mit Hilfe der freundlichen Hotel-Rezeptionistinnen endlich gelungen, ins Allerheiligste und Allerlieblichste des südspanischen Maurentums vorzudringen: die Alhambra. Nachdem wir zeitweise schon erwogen hatten, trotz Bullenhitze einen AoE-Rammbock den Steilhang hinaufzuschieben und nach Art katholischer Reconquistatodoren den Bergpalast von Granada schlicht einzunehmen, hatten wir dann doch plötzlich zwei Generalkarten in der Hand – einzulösen innerhalb einer schmalen Zeitscheibe zwischen 14 und 14.30 Uhr an der Nasriden-Palastpforte, sonst wären alle Mühen vergebens gewesen.

Architektonisches Kunstwerk harmonisch in Natur eingebettet

Trotz des umständlichen Kartensystems kann ich aber jedem Südspanien-Besucher nur gut zuraten, diese Mühen nicht zu scheuen: Die Alhambra repräsentiert die Hochblüte maurischer Baukunst in Europa, vereint Festung und Refugium. Vor allem die Nasriden-Paläste, für die der Zutritt besonders reglementiert ist, zeugen vom hohen Verständnis der arabischen und jüdischen Architekten für Harmonie und Geometrie.

Gewölbedecken wie Tropfsteinhöhlen

Kreierte Natur und Zirkel gehen beispielsweise in den organisch wirkenden Decken der Sala de los Abencerrajes Hand und Hand: Mit großem Aufwand gaben die Schöpfer der Alhambra diesen Gewölben die Anmutung von Tropfsteinhöhlen. Der geometrische Aspekt zeigt sich in schönster Form vor allem im Myrtenhof, dessen rechteckiges Bassin so bewässert wird, dass sich die Säulengänge der Frontgebäude in besonders schöner Symmetrie auf dem künstlichen Teich spiegeln. Faszinierend sind aber auch der Löwenhof mit dem Löwenbrunnen in der Mitte und die vielen Wandelgänge, von denen aus der Emir und seine Ischen auf der einen Seite die aufwendig gestalteten Gärten, auf der anderen Seite die schneegekrönten Bergleiten des Hochgebirges um Granada genießen konnten.
Der Löwenhof

Karls Renaissancepalast

In der ursprünglich angedachten Gesamtkomposition der Alhambra wirkt der nachträglich eingebaute Renaissancepalast von Karl V. zwar als das, was er ist: als Fremdkörper. Aber auch er hat seinen ganz eigenen Reiz, umgibt er doch mit einem rechteckigen Grundriss einen großen runden Innenhof. Nach Osten hin kann man die Gartenanlagen des sogenannten „Generalife“ besichtigen, gen Westen die Festung, von der die Mauren aus bis zur Kapitulation 1492 den Großraum Granada beherrschten.

Kompliziertes Kartensystem

Allerdings sei jedem Besucher eben auch geraten, den Besuch der Alhambra gut vorzubereiten: Tageskarten sollte man mindestens eine Woche vorher per Internet oder über das Hotel der Wahl reservieren, mit dem Reservierungs-Voucher muss man sich dann an der Tourist-Info am Ost-Eingang anstellen und die Karten kaufen. Es gibt Vormittags-, Nachmittags- und Abendkarten. In diesen „Schichten“ kann man dann den größten Teil der Alhambra (Generalife-Gärten, Alcazaba-Festung) entweder zwischen 8.30 und 14, zwischen 14 und 18 Uhr oder spätabends (Sonderticket) besichtigen. Für das Herzstück wiederum, die Nasridenpaläste, wird zudem eine ganz konkrete Besichtigungszeit eingetragen. Mit den Karten muss man sich dann an den Palastpforten noch mal anstellen. Den Karlspalast kann man während der allgemeinen Öffnungszeiten (8.30 bis 20 Uhr in der Sommersaison) gratis und unbeschränkt zu besichtigen.
Anders ausgedrückt: Um die gesamte Alhambra zu besichtigen, braucht man ein General-Ticket für 14 Euro, das man reservieren sollte und für das man dann u. U. auch noch stundenlange Wartezeiten beim Abholen einrechnen muss. Den Karlspalast kann man jederzeit (und auch ohne Ticket) besichtigen, die Generallife-Gärten und die Alcazaba-Festung während der "Schicht" (Vormittag/Nachmittag), die auf der Eintrittskarte vermerkt ist, die Nasridenpaläste jedoch nur zur konkreten Uhrzeit, die auf die Karte gedruckt ist (die Berchtigung verfällt nach einer halben Stunde).
Tipps: Um die gesamte Alhambra zu besichtigen, sollte man mindestens drei Stunden einkalkulieren. Fotografieren ist erlaubt, aber nur ohne Blitz und ohne Stativ. Große Rucksäcke muss man sich statt auf den Rücken vor den Bauch schnallen.

Martialische Wächter und penetrante Kräuterweiber

All dies ginge zweifellos einfacher (warum kann man die Tickets nicht gleich daheim ausdrucken oder aufs Smartphone laden?), aber eine spanische Devise scheint zu lauten: Warum einfach, wenn es auch kompliziert und mit viel Personalaufwand geht?! Hüten sollte man sich übrigens vor den Kräuterweibern, die rings um die Alhambra den Touristen auflauern, um ihnen irgendwelches Grünzeug in die Hand drücken und vorgeben, ihnen die Zukunft vorhersagen zu können – gegen ein Entgelt natürlich. Nicht abschrecken lassen sollte man sich hingegen von Colt- und Patronengurt-gewappneten Wächtern an und in der Alhambra: Die Spanier schreiben Sicherheit groß und man weiß ja nie, zu welchen Revolten erhitzte Touristen fähig sind, die stundenlang in der Warteschlange unter einer glühenden südspanischen Sonne geröstet worden sind… Heiko Weckbrodt