Die unterirdische Festung Hackenberg bei Metz
Der Lärm ist ohrenbetäubend, als unser lothringischer Führer den Hebel am Geschützpanzerturm umlegt: Über 70
Jahre alte französische Hochtechnologie setzt sich in Bewegung,
gewaltige Elektromotoren drehen den tonnenschweren Stahlkoloss. Man
sieht sie innerlich vor dem Auge, jene acht Männer in bläulicher Uniform
mit dem Adrianshelm, die 1939 den Geschützturm erstmals in
Gefechtsbereitschaft versetzten. Das erste Übungsschießen mit dem in der
dritten Turmetage eingezwängten Schützen. Wie er blind den Auslöser
drückte, sich ganz auf auf die Feuerleitlösung verließ, die per
Telegrafenzeiger aus dem Leitbunker kam. Das Rattern der Panzerkuppel
oben, die sich nach jedem Schuss senkte, um dem Feind kein Ziel zu
bieten. Man vermeint das Surren des Elektroaufzug zu hören, der Granate
auf Granate in den Turm hob. Das Donnern des 135-mm-Geschützes, die
schweren Hülsen, die in der Spiralrutsche gen Boden schepperten, um
wiederverwertet zu werden...
„L’Ouvrage
Hackenberg“ (Werk Hackenberg) war die erste unterirdische Festung aus
jener Verteidigungslinie, mit der sich Frankreich in der
Zwischenkriegszeit gegen einen neuerlichen deutschen Einmarsch schützen
wollte und die wir heute als Maginot-Linie kennen – benannt nach dem
französischen Kriegsminister André Maginot. Hier wurden die Konzepte
einer Fortifikation untertage erstmals in größerem Maße ausprobiert.
Wenngleich vieles aus Kostengründen unvollendet blieb, ist das Fort im
lothringischen Vrecking nahe Metz die wohl größte und imposanteste
Anlage, die heute noch besichtigt werden kann.
Die 1930 bis
1940 erbaute Maginotlinie umfasste eine Perlenkette aus Befestigungen,
die sich von Belgien bis Italien erstreckte, wobei an der Grenze zur
Schweiz, zu Belgien und in den Ardennen keine oder nur schwache Anlagen
bis zum Kriegsausbruch gebaut wurden – was die Wehrmacht seinerzeit
ausnutzte. Dass sich die Linie letztlich als weitgehend nutzlos erwies,
hing auch mit dem militärstrategischen Wandel zusammen: Anders als im I.
Weltkrieg setzte das Deutsche Reich 1940 nicht auf riesige Infanterie-
und Artellerieheere, sondern auf den Bewegungskrieg, Luft- und
Panzerwaffe und bunkerbrechende Hohlladungsgranaten, gegen die die
Maginotlinie wenig half. Das Maginot-Konzept war im Übrigen bereits
während seiner Bauzeit in Frankreich umstritten: Wegen der
Kostenexplosion, aber auch strategisch.
Dennoch war
der ingenieurtechnische Aufwand, der heute noch im Fort Hackenberg zu
bewundern ist, imposant: In der zweieinhalbstündigen, auch
deutschsprachigen Führung kann der Besucher große Teile des zehn
Kilometer langen Stollennetzes besichtigen, das die Franzosen ab 1930 in
die Weckringer Berge trieben. Vier Kilometer davon waren mit einer
elektrischen Grubenkleinbahn erschlossen, um Mannschaften und Munition
zu transportieren – eine kleinere Streckenfahrt ist Teil der Führung.
Obgleich
manches etwas Disneyland-mäßig anmutet, hat sich die „Association
AMIFORT VECKRING“, die das Fort nach der Aufgabe durch das Militär in
den 70ern wieder in Schuss brachte und heute betreibt, viel Mühe
gegeben, damit die zweieinhalb Stunden wie im Fluge vergehen: Die
Führung ist solide und informativ, der Schauwert recht hoch. Schon kurz
nach dem Stolleneingang sind Beutestücke und Gaben wie leichte Panzer
und Geschütze zu sehen, weiter hinten die übermannshohen, tösenden
Dieselgeneratoren, die das Fort im Notfall mit Strom versorgen konnten.
Die Seitenhöhlen mit Mannschafts- und Offiziersküchen, Wäscherei etc.
sind verglast, zur Anschauung verrichten dort Puppen in zeitgenössischen
Unformen ihren Dienst. In den früheren Kasernen gibt es eine
Ausstellung mit Waffen, Uniformen, Zeitungsartikeln und anderen
Exponaten aus der französischen Militärhistorie.
Saufen gegen den Grubenkoller
Abb. Wiki/AKA |
Von
den Kasernen aus geht es mit der Grubenbahn (Vorsicht: kühl – warm
anziehen!) zum eingangs erwähnten Panzerdrehturm, den man in Aktion
sehen kann - leider ohne Probeschießen ;-( Zum Schluss führt die Tour
hinaus ins Freie, um die niedrigen Kuppeln zu besichtigen, die als
einziges Indiz von außen auf das riesige Fort unter der Erde hinweisen.
Wie der Tourführer berichtet, hat dieses Versteckspiel 1944 recht gut
funktioniert: Da viele Geschütze auch ins Hinterland drehbar waren, um
Nachbarforts flankierend zu schützen, verschanzte sich gegen Kriegsende
ein kleiner deutscher Trupp in der Festung Hackenberg und hielt die
vorrückenden Amerikaner einige Zeit auf. Die Alliierten konnten den
Ursprung des Beschusses erst ausfindig machen, als ihnen Einheimische,
die einst am Fortbau als Bauarbeiter beteiligt waren, die Position der
Panzertürme zeigten.
Zahlen und Fakten
Maginotlinie- erbaut 1930-1940 (Übergabe an die Wehrmacht)
- Kosten: 5 Mrd. (alte) Franc (staatliche Angabe, tatsächlich fielen die Kosten weit über dem Plan aus)
- bestand aus über 100 geschützbewehrten Forts (vor allem gegen Infanterieangriffe, kaum Luftabwehr), MG-Unterständen und Beobachtungsposten
- aus Zeit- und Kostengründen nur 19 von 40 Werken realisiert
- erbaut 1930-39 als Prototyp
- bis zu 1800 Bauarbeiter aus der Region waren am Bau beteiligt
- 1080 Mann Sollbesatzung
- bis zu 96 Meter tief, 10 km Stollennetz, davon 4 km mit Grubenbahn erreichbar
- 1940 an Wehrmacht übergeben, ab 1943 unterirdischer Rüstungsbetrieb (Flugzeutteile etc.), Ende 1944 von den Deutschen beim Rückzug aufgegeben
- Führung in Deutsch: Mitte Juni bis Mitte September tägl. 15 Uhr, an den Wochenenden 14.30 Uhr, kostet neun Euro
- Im Navi "F-57920 Veckring eingeben", Weg ist auch ausgeschildert
- Mehr Infos: http://www.maginot-hackenberg.com/accueilallemand.htm und http://de.wikipedia.org/wiki/Fort_Hackenberg
Nächster Halt: Burgenbau heute in Guédelon
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