Donnerstag, 13. Juni 2013

Orakel: "MEN PETATE..."

Visualisierung des Apollo-Tempels in Delphi


Delphi, 13. Juni 2013: Über 2000 Kilometer sind wir gereist, haben die hitzeflirrenden Geröllwüsten von Argos durchquert, haben einen Regenvollen Tag in Delphi ausgeharrt und welchen Orakelspruch liefert uns die Pythia, als wir endlich am Apollo-Tempel stehen?

"Men petate Tseigara kindynos pyrkagias" - was etwa soviel heißt wie "Werf keine brennenden Zigaretten weg - Feuergefahr!".

Die Tempelpriesterin muss heute wieder mal völlig zugedröhnt gewesen sein. Alles, was wir von ihr zu sehen bekamen, war dieses Schild am Tempelsockel - keine Orakelschau, keine heiser geflüsterten Wirren Wortfetzen, keine tanzenden Tempelmädchen. Dafür das Babylonische Sprachgewirr Hunderter Touristen, die sich über den delfischen Berg wälzen, getrieben von der Stimme und Knute ihrer eingeborenen Führerinnen. Ganz offensichtlich: Delphi ist in mehr internationalen Reisebroschüren als zum Beispiel Sparta oder Argos, wo wir als bleiche Fremdländer nahezu unter uns waren.

Der Apollo-Tempel heute. Pythia? Fehlanzeige


Ist indes kein Wunder: Delphi ist von Athen nur einen Buskatzensprung weg, mit Hotels gepflastert - und war in der Antike eine ganz große Nummer. Schafhirten wie Könige strömten geschenkbeladen hierher, um ihre Fragen zu stellen: "Wird meine Olivenernte reich ausfallen? Verliebt sich Helena in mich? Sollte ich Delos niederbrennen?"
Kann ich mir gut vorstellen, wie sich die Pythia damals auf ihrem dreibeinigen Schemel lasziv räkelte, wenn sich der Tempellevit vom Dienst näherte. "Was, Themistokles, der alte Knacker ist schon wieder da? Was hat er diesmal mitgebracht? Was? Einen bronzenen Strier? Davon hab ich schon fünfe? Häng die gemeißelte Tafel draußen dran, dass ich Migräne habe und er in einem Monat wiederkommen kann. Ich hab dem Kerl schon dreimal gesagt, er soll endlich eine Flotte bauen, wenn er die blöden Perser besiegen will..." Sprachs, und nahm noch einen tiefen Zug von den Dämpfen aus der Felsspalte, um sich richtig zuzukiffen...

Votivgabe aus einem Schatzhaus in Delphi


Ich habe allerdings von allen (zugänglichen) Seiten am Apollo-Tempel geguckt: Die legendäre Felsspalte hab ich nicht entdeckt. Dafür zahlreiche dekorativ aufgetürmte Trümmer, ein adrett zugewachsenes Theater, ein Stadion, eine Tempelkatze ( die so, wie sie sich bewegte, wahrscheinlich die letzte Wissensträgerin ist, wo sich die berauschende Spalte wirklich befindet) und die Überreste der alten Pracht- und Protzmeile von Delphi, wo eine Polis neben der anderen sauteure Schatzhäuser errichtete, so nach dem Motto: "Ätsch, unser Schatzhaus in Delphi ist schöner als eures...". Kein Wunder, dass jeder Reiseführer die Touris nach Delphi lotst.

An Geschäfssinn haben die Delfier übrigens seit der Antike kaum eingebüßt: Neben dem Museumsladen schrie sich ein Café- Angestellter die ganze Zeit die Seele aus dem Leib: "Coffee! Fresh  Juice!" Und, kaum dass der erste Regentropfen den Erdboden erreichte: "Umbrellas" (Regenschirme).
Wirklich empfehlen kann ich indes das Teleskop-Café an der Hotelmeile von Delphi (Pavlou & Friderikis-Strasse): Der extrovertierte Betreiber ist Hobby-Astronom und hat 2 namensgebende Teleskope auf der Terrasse aufgestellt, durch die die Besucher versuchen können, Strandschönheiten am Ufer des 12 km entfernten Küstenörtchens Iteas zu finden - oder die Berghänge ringsum unt die Lupe zu nehmen. Serviert wird dazu 1a-Blätterteig-Quarkkuchen von seiner Mama, die, wenn sie nicht gerade am Backofen hockt, die ganze Zeit freundlich lächelnd den Boden schrubbt. Manko: Man muss im Teleskop-Café die ganze Zeit laut aufgedrehte griechische Volksmusik ertragen. Aber gut - man kann nicht alles haben...