Eine Schlösser-Tour durch das Loiretal
Burgschloss Amboise an der Loire, Fotos: hw |
Für
unsere Tour haben wir das Kernstück des Loiretals gewählt, zwischen zwei
historisch bedeutsamen Städten: Im Osten Orleans, 1429 von einem lothringischen
Bauernmädchen namens Jeanne gerettet, das später als Johanna von Orleans zur
französischen Nationalheiligen gerann, und im Westen Tours, das 732 durch Karl
Martells Sieg gegen die Mauren zu abendländischer Bedeutung kam.
Tipp: Wer direkt von Metz
kommt, sollte keine Zeit verplempern und die 470 km auf den Autobahnen A 4/A 10
herunterrasen – die Landschaft dazwischen ist kein großer Renner. Ab Orleans
sollte man aber unbedingt auf die Landstraßen wechseln, auf die Route Nationale
N 152 oder – noch besser – auf der linken Loireseite auf die kleineren
Landstraßen, die näher am Fluss bleiben. Hier gilt einmal mehr: Der Weg ist das
Ziel.
Orleans: Im Zeichen der Jungfrau
In
Orleans kann man das Auto gratis am Loireufer oder zu moderaten Preisen in
einem Parkhaus versenken und sollte sich den Altstadtkern erlaufen. An den
langen Avenues mit ihren Straßenbahn-Trassen, die von der Altstadtbrücke aus
verlaufen, erkennt man neuzeitliche (aber durchaus reizvolle) Stadtplanung: Die
Häuserfronten verlaufen schnurgerade. Am Ende der Rue Etienne Dolet ragt
Sainte-Croix d’Orléans 114 Meter hoch empor. Der Kathedrale sind die
verschiedenen Stilmoden ihrer fast 600-jährigen Bauzeit anzusehen, im Kern ist
sie aber ein beeindruckendes gotisches Bauwerk. Jeanne d’Arc wird hier als
Heilige verehrt – von der selben katholischen Kirche legitimiert, die sie im
15. Jahrhundert als Ketzerin verbrennen ließ. Die Franzmänner gehen über ihre
Mitschuld am Tod ihrer nationalen Erweckerin indes großzügig hinweg. Auf den
Buntglasfenstern der Kathedrale, die das Leben Jeanne d’Arcs zeigen, heißt es
unter der Todesszene nur nebulös: „...auf Geheiß der Engländer verbrannt“. Dass
es französische Kleriker, Hochadlige und deren „Vollzugsbeamte“ waren, die
Johanna auf den Scheiterhaufen brachten, wird da nicht ausgebreitet.
Ein paar
Stunden sollte man danach für einen Altstadtbummel einplanen: Das Zentrum zeigt
sich mit teils wundervoller mittelalterlicher Bausubstanz. Auch Abstecher zum
Jeanne-d’Arc-Museum und zum Place du Matroi mit der Johanna-Reiterstatue
lohnen. Am Abend bietet sich ein Bummel am Loire-Ufer an.
Blois: Vier Stile in einem Schloss
Blois
liegt etwa 60 Kilometer flussabwärts von Orleans und glänzt mit einem Schloss,
das durch seine vielen Umbauten vier Architekturstile in seinen Flügeln
vorzuweisen hat: hochmittelalterliche Gotik, Spätgotik, Renaissance und
Klassizismus. Besonders interessant ist der blau gehaltene Ständesaal, in dem
man sich übrigens auf einem Königsthron ablichten lassen kann.
Ein Abstecher ins „Museum der Schönen Künste“ auf Schloss Blois lohnt
sich: Neben vielen anderen kunstfertigen Skulpturen und Gemälden findet dort beispielsweise
das Bildnis der Tognina Antonia Gonsalvus, des sogenannten Affenmädchens, das
auf dem Bild ein Dokument vorweist, das sie offiziell als Mensch ausweist.
Dahinter steckt eine traurige, für die Barockzeit aber gar nicht ungewöhnliche
Geschichte: Ihr Vater Petrus Gonsalvus und große Teile der ganzen Familie
litten unter einer seltenen Erbkrankheit, der Hypertrichose, die zu einer
Überbehaarung des gesamten Körpers und des Gesichtes führte und möglicherweise
einer der Ursprünge für die vielen europäischen Werwolf-Legenden war. Barocke
Fürsten hielten sich solche Menschen als Monstrositäten, als Belustigung für
die höfischen Gäste.
Gleich
gegenüber vom Schloss kommt übrigens wieder einmal der Disneyland-Impuls der
Franzosen zum Tragen: Aus dem Balkon des „Hauses der Magie“ reckt sich
regelmäßig eine übergroße Drachenpuppe aus dem Fenster und versucht Touristen
zu betören.
Château de Chambord: Die kreisenden Mühlen
Von
Blois aus lohnt sich der 18-km-Abstecher zum Château de Chambord, einem der spektakulärsten
Loire-Schlösser. Ab 1519 wurde es unter Franz I. zunächst mit einem Grundriss
erbaut, der an vier kreisende Mühlen erinnert, im Innern nahm eine gegenläufige
Doppeltreppe dieses Muster wieder auf. Laut einer lokalen Legende ging der
Entwurf möglicherweise auf Leonardo da Vinci zurück, der ganz in der Nähe auf
Einladung des Königs seine letzten Lebensjahre in Frankreich verbrachte.
Die Burgruine von Vendome
Wer auch
ein paar Beispiele besichtigen will, in denen einstige Burgen nicht zu
Schlössern umgebaut wurden, sondern verfielen, kann - statt des direkten Weges
weiter nach Amboise - einen kleinen Umweg über Vendome und Lavardin machen:
Beide Burgruinen sind malerisch, allerdings nur über halbillegale Trampelpfade
beziehungsweise zu eher seltenen Öffnungszeiten direkt besichtigbar.
Schloss Amboise: Am Grab Da Vinicis
Vieles erinnert auf Amboise an da Vinci. Foto: hw |
Unser nächster Halt ist Amboise, 36 Kilometer von Blois loireabwärts. Hauptattraktion ist das Schloss, ursprünglich eine gallische Festung, die später zur königlichen Burg umgebaut wurde. Von der einst weitläufigen Schlossanlage sind allerdings nur noch einige Flügel erhalten. Auf dem Plateau findet man auch die Hubertuskapelle, in der die (mutmaßlichen) Gebeine da Vincis ihre letzte Ruhe gefunden haben.
Der
italienische Universalgelehrte lebte von 1516 bis zu seinem Tode 1519 im Haus
„Clos Lucé“, einen halben Kilometer vom Schloss entfernt. Beim Spaziergang
dorthin sollte man immer mal nach links schauen: Im verlängerten Schlossfelsen
haben einige Amboiser ihre Wohnungen wie Höhlenhäuser in den Stein gehauen.
In
puncto Gastronomie haben wir in Amboise allerdings keine guten Erfahrungen
gemacht: Wahrscheinlich, weil die Touristen hier ohnehin busseweise angekarrt
werden und automatisch für viel Kundschaft rund ums Schloss sorgen, gibt man
sich hier wohl keine rechte Mühe mit der Küche.
Schloss Chenenceau: Auf der Cher gebaut
Chenenceau ist ein Schloss auf einer Cher-Brücke. Foto: hw |
Seinen
Ruhm zieht das Schloss aber vor allem durch seine Baugeschichte: Thomas Bohier und
dessen Gattin Catherine erwarben 1513 dort eine Wehrmühle samt kleiner Burg.
Das Paar ließ von der Burg nur den Turm stehen, riss die Mühle auf der Cher ab
und errichtete auf deren massiven Flussfundamenten ein Schloss. 1524
konfiszierte Franz I. das Anwesen, sein Nachfolger Heinrich II. schenkte das
Schloss seiner Mätresse Diane de Poitiers – und seitdem waren es immer wieder
Frauen, die das Areal beherrschten und immer weiter ausbauten.
Katharina
von Medici zum Beispiel ließ auf der früheren Brücke zum anderen Ufer hin eine
Galerie mit Küchentrakt über dem Fluss bauen, so dass Chenonceau heute wie ein
Wasserschloss mit umliegenden Gärten, einem Labyrinth und anderen Attraktionen
aussieht. Diese Galerie gewann im II. Weltkrieg noch einmal an Bedeutung, als
Resistance-Kämpfer durch das Flussbauwerk über die Cher geschmuggelt wurden,
die damals die Scheide von besetztem und unbesetztem Frankreich bildete.
Tours: Wo die Mauren nicht weiter kamen
Tours
schließlich führt uns von Amboise aus noch einmal 25 km loireabwärts. Auch
diese Stadt hat eine sehr schöne gotische Kathedrale, an die sich ein Kloster
schmiegt, für dessen Besichtigung man allerdings Eintritt bezahlen muss. Danach
ist ein Bummel durch die Altstadt mit ihren vielen mittelalterlichen Häusern
empfehlenswert – dort finden sich auch viele hübsche Restaurants und Kneipen,
die nicht so touristenüberlaufen sind wie in anderen Loirestädten.
Doppelschlacht zwischen Okzident und Orient
Die Stadt Tours ist historisch bedeutsamer Boden: Hier und im rund 100
Kilometer entfernten Poitiers schlug 732 Karl Martell – der Opi von Karl dem
Großen - eine Doppelschlacht, die den Vormarsch der Araber in Europa zum
Stillstand brachte. Allerdings dauerte es dann noch weitere 760 Jahre, bis die
spanische Königin Isabella I. und Ferdinand II. 1492 die Mauren ganz aus Europa
vertrieben und die „Reconquista“ beendet hatten – und so Ressourcen für solch
aufwändige Projekte wie die Entdeckung Amerikas freibekamen.
Wer mehr als eine Woche für seine Reise zur Verfügung
hat, kann von Tours der Loire weiter bis zur 260 km entfernten Mündung in den
Atlantik folgen – und dort zum Beispiel den deutschen U-Boot-Bunker von St.
Nazaire besichtigen. Unterwegs ist ein Zwischenstopp zum Beispiel in Saumur
erwägenswert, das neben einer hübschen Altstadt samt Schloss auch ein großes
Panzermuseum hat.
Tipps:
Hotels: Wer nicht
gerade in der Hauptsaison kommt, findet auch durch spontane Suche vor Ort meist
ein bezahlbares Hotel. Die Preise beginnen ab etwa 30 bis 45 Euro, je nach Ort
und Saison. Hinzu kommen sieben bis zwölf Euro für das „Petit Dejeuner“, das
Frühstück, plus 50 bis 80 Cent pro Kopf und Nacht als Bettensteuer. Wir haben
recht gute Erfahrungen mit Booking.com gemacht: Da viele französische Hotels
kostenlose WLAN-Zugänge bieten, kann man über dieses Portal von Tag zu Tag über
den nächsten Übernachtungsort entscheiden und buchen - man verliert durch diese
methode nicht die Spontanität, erspart sich aber lange Suchereien in der
nächsten Stadt. Eine Kreditkarte sollte man sein eigen nennen: In Frankreich
ist deren Gebrauch inzwischen weiter verbreitet als in Deutschland.
Eintritt: In den
meisten Sehenswürdigkeiten werden ca. neun bis zwölf Euro Eintritt (Erwachsene)
verlangt.
Per Auto: Unser
Konzept sah Landstraßenfahrten vor, da gibt es viel mehr zu entdecken als auf
der Autobahn. Für größere Sprünge sollte man letztere aber durchaus nutzen,
derzeit (2011) liegt die Mautgebühr um die sieben Cent pro Kilometer. Viele
Hotels bieten Gratis-Parkplätze für ihre Gäste an und zumindest in den hier
beschriebenen Loire-Städten findet man selbst im Zentrum oft kostenlose oder
billige Parkplätze. Die Spritpreise liegen etwa auf deutschem Niveau.