Von dieser Tradition und Ehrung können Pädagogen im
durchorganisierten, professionalisierten deutschen Schulsystem nur träumen: Zum
Tag des Lehrers bringen die vietnamesischen Kinder Blumen mit, tanzen und
singen für ihre Lehrer. Und die haben am Freitag vor ihrem Ehrentag frei. Im
Lehrerzimmer im Obergeschoss trinken sie Tee und naschen Litschis. Sie
schwatzen und werden dabei selbst vor Langnasen redselig.
Und diese ideelle Würdigung sei diesen Frauen und Männern,
die einen ausgesprochen freundlichen und engagierten Eindruck auf mich machen,
unbedingt gegönnt. Denn die materiellen Bedingungen, unter denen sie die jungen
Menschen auf die Herausforderungen des Lebens vorbereiten, sind karg: Obwohl
die Schule in einer Hinterhofgasse von Phan Thiet gar nicht so alt ist und erst
1990 vom Staat gebaut wurde, erinnern die beiden Unterrichtsräume mit ihren
Holzbänken irgendwie an das Kaiserzeit-Klassenzimmer im Schulmuseum Dresden.
Für 82 Kinder aller Altersgruppen sind gerade mal zwei
Klassenräume verfügbar. Zwar gibt es bunte und anscheinend recht neue
Schulbücher für die Kinder. Moderne Präsentations- oder Experimentiertechnik
fehlen aber weitgehend. Statt Beamer gibt es Weisheiten vom längst verstorbenen
Kommunistenführer Vietnams. Und so müssen sich die sechs Frauen und zwei Männer
größtenteils auf die traditionellen und zweifellos bewährten Werkzeuge des
Lehrerberufs verlassen: Kreide und Tafel.
Der Staat bezahle eben nur den Schulbau, erklärt mir der
Direktor, der mich zur Tee- und Litschi-Runde dazugebeten hat. Die kargen
Gehälter der Lehrer und den laufenden Betrieb müssen die Eltern durch
Schulgelder finanzieren, ergänzt meine Begleiterin Thao, die für die chronisch
unterfinanzierte Schule Spenden in der Nachbarschaft heranorganisiert. Und dass
die Eltern und Anwohner in dieser Ecke der Küstenstadt Phan Thiet engagiert, aber
nicht reich sind, sieht man der Schule eben auch an. Ohne die Spenden von
außen, so sagt Thao, wäre es richtig schwierig, Bücher, Kleider, Schulausflüge
und Essen für die Kinder zu bezahlen.