Samstag, 19. November 2016

Tanz und Blumen für die Lehrer von Vietnam




Phan Thiet, 19. November 2016. Das Klassenzimmer ist picobello sauber, doch nach deutschen Maßstäben winzig, ja fast ärmlich. Auf der einen Seite schaut Ho Chi Minh auf die Schüler herunter. Seine 5 Leitsprüche fürs Leben hängen unübersehbar neben der Tafel. Auf der anderen Seite haben die Mädchen und Jungen Blumen für ihre Lehrerin mitgebracht und damit die Wand geschmückt. Denn am 20. November feiert Vietnam den Tag des Lehrers.


Von dieser Tradition und Ehrung können Pädagogen im durchorganisierten, professionalisierten deutschen Schulsystem nur träumen: Zum Tag des Lehrers bringen die vietnamesischen Kinder Blumen mit, tanzen und singen für ihre Lehrer. Und die haben am Freitag vor ihrem Ehrentag frei. Im Lehrerzimmer im Obergeschoss trinken sie Tee und naschen Litschis. Sie schwatzen und werden dabei selbst vor Langnasen redselig.
Und diese ideelle Würdigung sei diesen Frauen und Männern, die einen ausgesprochen freundlichen und engagierten Eindruck auf mich machen, unbedingt gegönnt. Denn die materiellen Bedingungen, unter denen sie die jungen Menschen auf die Herausforderungen des Lebens vorbereiten, sind karg: Obwohl die Schule in einer Hinterhofgasse von Phan Thiet gar nicht so alt ist und erst 1990 vom Staat gebaut wurde, erinnern die beiden Unterrichtsräume mit ihren Holzbänken irgendwie an das Kaiserzeit-Klassenzimmer im Schulmuseum Dresden.
Für 82 Kinder aller Altersgruppen sind gerade mal zwei Klassenräume verfügbar. Zwar gibt es bunte und anscheinend recht neue Schulbücher für die Kinder. Moderne Präsentations- oder Experimentiertechnik fehlen aber weitgehend. Statt Beamer gibt es Weisheiten vom längst verstorbenen Kommunistenführer Vietnams. Und so müssen sich die sechs Frauen und zwei Männer größtenteils auf die traditionellen und zweifellos bewährten Werkzeuge des Lehrerberufs verlassen: Kreide und Tafel.
Der Staat bezahle eben nur den Schulbau, erklärt mir der Direktor, der mich zur Tee- und Litschi-Runde dazugebeten hat. Die kargen Gehälter der Lehrer und den laufenden Betrieb müssen die Eltern durch Schulgelder finanzieren, ergänzt meine Begleiterin Thao, die für die chronisch unterfinanzierte Schule Spenden in der Nachbarschaft heranorganisiert. Und dass die Eltern und Anwohner in dieser Ecke der Küstenstadt Phan Thiet engagiert, aber nicht reich sind, sieht man der Schule eben auch an. Ohne die Spenden von außen, so sagt Thao, wäre es richtig schwierig, Bücher, Kleider, Schulausflüge und Essen für die Kinder zu bezahlen.