Mittwoch, 16. November 2016

Einkehr zwischen Drachenfrüchten




Phan Tieth, 16. November 2016. Binh ist 45 und lebt allein. Sie bestellt als Ein-Frau-Show eine kleine Farm mit Drachenbäumen, wunderbaren Blumen, Früchten und Gemüse - etwa ein Dutzend Kilometer entfernt von der südvietnamesischen Küstenstadt Phan Tieth. Wobei „allein“ relativ ist: Immer wieder fahren Freunde aus der Stadt mit dem Moped zu Binh, um sich Rat zu holen. Wie man den Streit in der Familie wieder gerade rückt. Ob eine Heirat im Ausland ratsam ist. Wie man Ananas so schmackhaft zum Reis zubereitet, wie es nur Binh kann. Denn die asketische kahlgeschorene Mittvierzigerin, die in ihrem gelben Gewand ständig tiefenentspannt wirkt, ist eine Art buddhistische Nonne.


Sie hat damit allen fleischlichen Genüssen entsagt: Auf den Tisch kommen nur vegetarische Gerichte, denn eine gute Buddhistin tötet nicht – eben auch keine Tiere. Sex ist sowieso abgeschrieben. Und was immer der Einzelne über diese und weitere Entsagungen denken mag, so mögen sie mindestens dafür gut sein, sich auf die Bedürfnisse anderer Menschen mehr als auf die eigenen zu konzentrieren  - und diese Empathie spüren womöglich viele Menschen bei Binh.
Weil Binh nur vietnamesisch spricht und es mir daran so sehr ermangelt, frage ich meine Begleiterin Thao: Warum ihre Freundin denn dieses Leben weitab von allen urbanen  Vergnügungen gewählt hat – und noch dazu allein statt an einer der vielen städtischen Pagoden. Um der Komplexität des auch in Vietnam immer hektischer pulsierenden Lebens zu entfliehen, entnehme ich Thaos Worten. Und: Nach vietnamesischen Platz-Vorstellungen mag das Häuschen von Binh mit seinem elektrisch illuminierten Buddha-Schrein eigentlich für zwei, drei, vier Nonnen geeignet sein. Aber es fand sich eben keine weitere Frau, die das asketische Leben draußen auf dem Lande teilen mochte. Und so pflegt Binh ihre Drachenfrucht-Bäume weiter – allein.