Wir sind 300

Leonidas mit Tourist, der einen auf Spartiat macht

Sparta, 7. Juni 2013: Reisender, fährst Du gen Süden nach Sparta ... dann siehst Du vom Auto aus an einer Brücke am Stadteingang das Graffiti: "We are 300 - Sparta". Ganz so wenig Einwohner hat das neuzeitliche Sparta zwar nicht (tatsächlich ca. 20.000). Aber die modernen Spartiaten sind offensichtlich stolz auf ihren großen Beitrag zur europäischen Geschichte. Die Rede ist natürlich von jenen 300 Elite-Hopliten, die laut Herodot Seit an Seit mit ihrem König Leonidas gegen ein Halbmillionen-Heer Perser an den Thermopylen fielen, um Hellas einen entscheidenden Zeitvorteil gegen die Invasoren verschafften - und damit die Demokratie beim Erzfeind Athen retteten - so zumindest die klassische abendländische Deutung.

Wieviel Griechen nun wirklich vor 2483 Jahren wieviel Persern gegenüber standen und ob sie damit das westliche Demokratiemodell gegen östliche Despotie verteidigten, wie schon Herodit behauptete, sei einmal dahingestellt. Fest steht: Seit Zack Znyders martialischer Comic-Verfilmung "300" hat der Sparta-Kult neuen Auftrieb erhalten.

Wir sind kaum im Dioskuren-Hotel eingecheckt und haben unser WLAN-Passwort erhalten, da zerrt der nette Portier auch schon ungefragt eine Stadtkarte heraus und kringelt uns den Standort von Museum, Leonidas-Statue und alter Akropolis ein - der Mann weiß, was die Touris in Sparta wollen.

Leonidas (?) im Museum von Sparta

Das Museum, obwohl klein und mit 2 € Eintritt spottbillig, hat wirklich schöne Stücke zu bieten: eine (mutmaßliche) Leonidas-Figur, angeblich ein Werk aus den Lebzeiten des Spartaner-Königs, einen Caesar-Kopf aus dem 1. Jhdt. v.u.Z. und faszinierende Medusa-Mosaike - letztere dürfen wir aber nicht fotografieren.

Auch die (bronzene?) Leonidas-Statue 1 km weiter gen Volksstadion bedient dankenswerterweise all unsere Klischees und sieht hübsch martialisch aus. Ich bin einen Moment versucht, einen der Lambda-Kriegerschilde daneben aus dem Stadion-Zaun zu reißen, verwerfe den Plan aber schnell, als ein paar spartanische Halbstarke um die Ecke der Investruine gegenüber einbiegen.

Allerdings lässt sich hier in der Stadt der Überkrieger selbst legal kein lakonischer Schild und kein Leonidas-Schild erwerben - so rechten Geschäftssinn scheinen die Spartaner bis heute nicht erlangt zu haben...

Und so Stiefeln wir wieder mal bei elender Hitze durch ein Antik-Trümmerfeld, werden wider Erwarten - obwohl als leichte Touristenbeute schnell identifizierbar - von keinen verkleideten Statisten oder Souvenir-Händlern belatschert. Ich wüsste ja, wie ich als Fremdenverkehrs-Beauftragter das aufziehen würde: ein Leonidas-Komparse zum Fotografieren, künstliche 6-Pack-Vorschnall-Bäuche für fette deutsche Möchtegern-Spartiaten, tägliche Thermopylen-Schauspiele, ein Lena-Headey-Double als aufreizende Führerin... Aber mich fragt ja wieder keiner.

Überreste der Akropolis von Sparta

Immerhin sind die Akropolis-Relikte weniger spartanisch als befürchtet: Ich hab nur mit ein paar abgegammelten Steinen im Gras gerechnet, aber wir finden zumindest ein marodes Theater, Tempelreste und einen tollen Panorama-Blick von der Akropolis auf die Bergketten ringsum, die Sparta in der Antike zur natürlichen Festung machten.

Mangels passender Rüstung stell ich mich in kochender Jeans und mit Vollchecker-Sonnenbrille auf der Nase auf den Schlussstein vor dem Abgrund und werd zum Leonidas. "Okay, Alter", texte ich den Hauptmann an meiner Seite zu. "Für heute haben wir genug Heloten versklavt.  Mir ist heute so nach Demokratie-Retten. Lass uns um die Wette sprinten: Wer als erstes die Thermopylen erreicht, kriegt ne Limo..."